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Liederabend (Ravel, Loewe, Wolf, Klein, Hirschberger Liedfest 2022)

Rhein Neckar Zeitung:
Bariton Johannes Martin Kränzle, der das Abschlusskonzert bestritt, ist ein Routinier. Er hat seinen jungen Kolleginnen immerhin 35 JahreBühnenerfahrung voraus, die ihn in etwa 120 sehr unterschiedlichenRollen an nahezu alle bedeutenden Opernhäuser der Welt – unteranderem die Metropolitan Opera New York oder die Mailänder Scala –geführt haben. Dabei ist er dafür bekannt und bei Regisseuren beliebt, dass er seine Rollen mit einem Höchstmaßan Empathie lebt.
Das überträgt er eins zu eins auf den Liedgesang. Er deutet jedes Lied als kleine Opernrolle, wird selbst zum Dichter, der eine Geschichte erzählt oder seine innere Befindlichkeit vor den Hörenden ausbreitet.
Das gelingt ihm deswegen so überzeugend, weil seine Stimme ein schier unerschöpfliches Spektrum an Klangfarben hergibt und er in der Lage ist, ein genauso unerschöpfliches Reservoir an Gefühlsnuancennachzuerleben. Eine ganz besondere Note erhielt dieses Abschlusskonzert desLiedfestes noch durch Kränzles Programm, weil es sich in großen Teilenauf den Genius loci der Alten Synagoge bezog. Zu Beginn hörten dieKonzertbesucher von Maurice Ravel „Deux melodies hebraiques“ undnach Balladen von Carl Loewe und Hugo Wolf dann im zweiten Teil „Zwölf Lieder nach alten jiddischen Weisen“ von Richard Rudolf Klein.
Er hat diesen Zyklus geschrieben, um nach dem Holocaust das ja sehrumfangreiche jiddische Liedgut wenigstens in Teilen am Leben zu erhalten. Hier traf besonders glücklich die Ausdrucksvielfalt der Lieder auf die überragende Gestaltungskraft von Kränzle, der insbesondere den hintergründigen Humor der meisten Lieder zu schon fast kabarettistischen Leckerbissen machte.

Weinheimer Nachrichten:
Zum Abschluss spannten an diesem Abend der Bariton Johannes Martin Kränzle und der Pianist Alexander Fleischer einen großen Bogen im Geschichtenerzählen und ließen ein beglücktes Publikum zurück. Kränzle ist ein weltweit gefragter Sänger, der sich eigentlich inzwischen vorrangig der Oper zugewendet hat. Doch auch sein Herz schlägt wohl insgeheim für den Liedgesang und Fleischer vermag es, wie schon bei einigen andern Sängern, die beim Hirschberger Liedfest zu Gast waren, anzusprechen und zum gemeinsamen Musizieren einzuladen.

Der Abend begann und endete mit jiddischen Kompositionen. Begonnen wurde mit den „Deux mélodies hébraïques“ von Maurice Ravel und der Abend endete mit den „Zwölf Jiddischen Liedern“ von Richard Rudolf Klein. Kränzle hatte bereits vor vielen Jahren die Uraufführung dieser Lieder gesungen und man spürte, wie wenig er vergessen hatte. Er spielte, kokettierte und variierte seine Stimmfarben so facettenreich, wie es sich nur ein wirklich gestandener Sänger leisten kann.Die Musik von Richard Rudolf Klein orientiert sich jeweils an volkstümlichen Melodien, die noch aus einer Zeit stammen, als jüdische Gettos zum Alltag in Europa gehörten. Es sind mitunter verspielte und unterhaltsame Geschichten, die Kränzle hervorragend zu gestalten versteht.

Aber es gibt auch ruhige Momente und der Abend endete mit einer bedrückenden Besinnlichkeit, die erneut deutlich machte, wie wichtig es ist, dass das Hirschberger Liedfest auch in diesem Jahr wieder jüdische Kompositionen in diesen Raum holte und eine unterschwellige Nuance mitschwang, die uns gerade in dieser Zeit sehr guttut. Zu den Glanzstücken des Abends gehörte allerdings auch die deutsche Liedkunst. Eine kluge Auswahl an Mörike-Liedern von Hugo Wolf ließ Kränzle erneut auftrumpfen.

Das Publikum in der komplett ausverkauften Alten Synagoge konnte vor lauter Witz und Charme, den das Duo versprühte, kaum an sich halten und musste seiner Begeisterung nach fast jedem Lied mit Applaus Luft machen.

Doch Kränzle und Fleischer, ganz eingesessene Bühnenmenschen, brachte dies nicht aus der Ruhe. Man hatte fast den Eindruck, umso spaßiger wurde das musikalische Fest auch für die beiden. Alexander Fleischer parierte dabei am Klavier so manche, wohl im Eifer spontane Gestaltungsidee des Baritons und folgte seinem Partner in schönster pianistischer Begleitermanier. Dass Kränzle dies zu schätzen wusste und sich sichtlich gelöst musikalisch ausbreiten konnte, war unübersehbar und Fleischer stellte erneut unter Beweis, dass auch er inzwischen eine herausragende Persönlichkeit der deutschen Liedkunst ist. Er und der Bariton nahmen sich selbst nur einen Höhepunkt dieses Abends vorweg, indem die beiden großen Balladen „Herr Oluf“ und „Edward“ von Carl Loewe bereits kurz nach Beginn des Konzertes erklangen.

Beides sehr dramatische Werke, wo es einem zeitweise eiskalt den Rücken herunterlief, so deutlich wurden die Geschichten in aller Dramatik und mit allen Stimmvariationen von Kränzle dargestellt und von Fleischer jeweils pianistisch ausdrucksstark miterzählt. Angesichts solch einer famosen Auswahl, wer hätte da wählen können und einen Schlussstrich ziehen und das diesjährige Hirschberger Liedfest für beendet erklären? Auf bald – bis nächstes Jahr!

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